In keinem Land der Welt war Eugen Cicero so beliebt und geachtet wie in Japan. Woher kommt das? Die Japaner interessieren sich traditionell für die europäische Klassik, behandeln diese aber nicht als sakrosankt, sondern sind für jede Spielart und Improvisation offen. Klassik und Jazz schließen sich nicht aus, sondern sind Ausdrucksformen von Musik entsprechend ihrer Zeit.
So hat das Klavierspiel von Eugen dort schneller eine große Zuhörerschaft gefunden als in Deutschland. Die Medien, allen voran die Musikwissenschaftler, haben keine Mühen gescheut, die Herkunft und Eigenart seiner Musik zu verstehen. Um sich davon einen Eindruck zu verschaffen, empfehle ich, die Tournee-Programme von 1972 und 1987 zu lesen. Dergleichen hat es in Deutschland nie gegeben. Hier hat die Diskussionen, ob U- oder E- Musik, ob Eugen letztlich ein besserer Bar-Pianist oder ein "wiedergeborener Liszt“ ist, zu lange im Vordergrund gestanden. Deshalb gab es in Deutschland auch nie eine Tournee vergleichbar wie in Japan.
Die Japaner haben seine Musik gerne als „Rococo-Jazz“ bezeichnet. Die Deutschen beließen es dann irgendwann bei Classic-Jazz. Man muss wissen, dass in der Zeit als Eugen Cicero populär war, die Musikgeschäfte noch über sortierte Abteilungen verfügten, wo unter einer bestimmten Bezeichnung die jeweiligen Musiker zu finden waren. Suchte man eine Aufnahme von Eugen musste man meistens nachfragen und dann war das Regal auch noch leer.
Die Rezeption seiner Musik in Japan war also hervorragend, so dass es keine Frage war, dass sich dort Tourneen durch mehrere Städte lohnten. Mit den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten hätten es problemlos mehr als drei werden können. Eine für 1999 geplante Tour konnte nicht mehr durchgeführt werden, weil Eugen am 5. Dezember 1997 verstorben ist.
Johann Anton Rettenbacher, bass / Dai Bowen, drums
führte durch die 3 Großstädte Tokyo, Osaka, Nagoya, wo Eugen in 5 verschiedenen Konzerthallen insgesamt 9 Konzerte gab. Die Tour wurde von der Agentur Kyodo organisiert, die 1966 das legendäre Beatles-Konzert in Tokyo veranstaltet hat. Der Höhepunkt war am 23. Juli 1972 die Produktion der Langspielplatte MY LYRICS – EUGEN CICERO IN TOKYO in den Columbia Nippon Studios in Tokyo.
Henk Haverhoek, bass / John Engels, drums
führte durch 12 Städte, und Eugen gab insgesamt 12 Konzerte in 11 verschiedenen Konzerthallen. Die Organisation oblag Makoto Kimata, der Dank der Vermittlung des Ehepaars Ria und Wim Wigt, Inhaber von TIMELESS Records, Eugen bei einem Konzert in Amsterdam kennengelernt hatte.
Aladár Pege, bass / Ringo Hirth, drums
bestand in mehreren Konzerten im BLUE NOTE jeweils in Fukuoka und Tokyo, also dem Olymp des Jazz, wo sonst nur Jazz-Giganten wie Oscar Peterson auftreten. Wer diese Tour auf japanischer Seite organisiert hat, ist nicht bekannt, da es kein Programm gab. Die Partnerin von Eugen, Frau Angelika Meier-Hanka, erscheint jedoch auf einem der Tour-Fotos, so dass davon auszugehen ist, dass sie bei der Organisation beteiligt war.
Durch die Tourneen und die mediale Berichterstattung war Eugen in Japan viel präsenter als in Deutschland. Als sein Tod in Japan durch die Medien ging, wurde sogar von der deutschen TV-Serie „Versteckte Kamera“ die Folge mit Eugen gezeigt. Heute sind alle deutschen Aufnahmen in Japan erhältlich, was in Deutschland lange nicht der Fall war, bis sich jetzt die Situation durch den Online Handel sowieso grundlegend geändert hat.
An der Lizenzierung der deutschen Aufnahmen waren meist mehrere Firmen beteiligt, die dann jeweils wieder lizenziert haben, so dass eine ordentliche Übersicht aller japanischen Pressungen schwierig ist. Sehr oft wurden auch die Titel und das Cover geändert. Mit Hilfe von Mitsuru Okayama konnte ich folgenden Überblick der CDs erstellen:
• Rokoko Jazz
• Swinging Tschaikowsky
• In Town
• Classics In Rhythm
• Romantic Valse
• Don't Stop My Dreams
• A Touch of Love
• Whisper From Eternity
• My Lyrics - Eugen Cicero In Tokyo
• Concerto
• Chopin Festival
• In London
• Plays Schubert
• Piano Solo
• Türkischer March
• A Love's Dream Bonsoir Tristesse
• Swings Classics
• A love's dream
• Live at the Berlin Philharmonie
• For My Friends
• In Concert
• Spring Song
• Jazz Bach
• Rokoko Jazz 2
• Plays Bach
• The Best of Eugen Cicero
• The Last Scene
• Lullabies
• Rokoko Jazz Menuetto (=Romantic Rokoko Jazz 2)
• Romantic Cine Jazz (=The Last Scene =Phoenix)
• Rhapsody in Blue*
• Plays Plays Jazz*
• Plays Classic, featuring Aladàr Pege*
* Diese drei Tonträger sind im Jahre 2017 auf den Markt gekommen und nur in Japan erhältlich. Anlass war das 20.Todesjahr von Eugen. Die Produktion geht noch auf Makoto Kimata zurück. Es sind vermutlich 30 Jahre alte Aufnahmen, die der Cicero-Freund Pavel Makovinyi entdeckt hat.
Unter den japanischen Fans von Eugen konnte ich zwei ganz besonders engagierte Freunde ausfindig machen Kazue Hirano und Mitsuru Okayama, die ich kurz vorstellen möchte:
Als ich den Nachlass von Eugen sortiert habe, fand ich ihren Brief, den sie Eugen in Japan mitgegeben hatte. Darin stand der wunderschöne Satz, dass ihre Kinder mit der Musik von Eugen aufgewachsen sind. Das hat mich so gerührt, dass ich ihr geschrieben habe. Daraus ist eine lebenslange Freundschaft entstanden. Sie hat mir 12 Jahre lang, jeweils am Todestag von Eugen, weiße Lilien geschickt.
Kazue Hirano hat Eugen bei seiner zweiten und dritten Tournee durch Japan getroffen. Die einzigen Fotos, die wir aus Japan haben, stammen von ihr. Lesen Sie weiter ihre Memories.
Den zweiten besonderen Freund von Eugen in Japan kenne ich schon seit über 20 Jahren. Er ist ein leidenschaftlicher Sammler, einige Aufnahmen von Eugen konnte ich nur von ihm bekommen. Ebenso hat er die Liner Notes von MY LYRICS / EUGEN CICERO IN TOKYO und die Tour Programme von 1972 und 1987 auf Englisch zur Verfügung gestellt. Mitsuru-san ist auch Maler und Designer und hat zwei Portraits von Eugen gemacht, die er uns zur Verfügung gestellt hat. Lesen Sie weiter seine Memories.