Seit Benny Goodman's "Bach goes to town" for 25 Jahren, Jacques Loussier und die Swingle-Singers eingeschlossen, wüßte er "keinen einzigen swingenden Bach, der so rasant und zügig dahinschösse wie dieser", lobt Starkritiker JOACHIM ERNST BEHRENDT den 26-jährigen, in Rumänien geborenen Pianisten EUGEN CICERO. Eigentlich heißt er Ciceu, aber: "Wer in unseren Breiten kann das schon richtig aussprechen", resignierte Cicero schon als Wunderkind. 10-jährig gab Eugen erste Klavierkonzerte am Bukarester Rundfunk. Mit 16 mußte er sich beim rumänischen Bundeswettberwerb junger Interpreten mit einem Diplom begnügen, nur weil er für den von der Jury ausgesprochen Preis zu jung war.
Dann überredete ihn sein Bruder Adrian, bekanntester Schlagzeuger und Jazz-Kritiker Rumäniens, zum Jazz. Seitdem gibt es kaum einen Stil von Couperin bis Chopin der sich der parodierenden Improvisationskunst dieses Pianisten entzogen hätte, Bachs populäre d-moll Orgeltoccata kombiniert er mit Richard Rodgers "Softly as in a morning sunrise", und die berühmte h-moll Arie aus der Matthäus-Passion bekommt durch die Jazz-Inspriationen Eugen Ciceros fremdartig-faszinierende Aspekte. Sie hören "Barock à la Jazz" mit Eugen Cicero und seinem Trio (Peter Witte am Bass und Charly Antolini an den drums) im RIAS II am Mittwoch, den 21. September um 21.30 Uhr.
Kammermusikalischen Jazz, unter das viel zu einengende Motto "ROKOKO-JAZZ" gestellt, brachte das Cicero-Trio in der Philharmonie. Von Bach und Couperin bis Mozart, Chopin und Tschaikowsky spannte sich ein weiter Boden vollendet dargebracht jede einzelne der Nummern. Zwar dominierte der aus Rumänien stammende Pianist Eugen Cicero durch die ungemein dynamische Kraft und Vielseitigkeit seiner Variationen aber Charly Antolini am Schaglzeug und Hans Rettenbacher am Bass waren ihm mit ihrer enormen Dynamik und schönen Lebendigkeit durchaus ebenbürtig.
Eindrucksvoll Bachs Präludium in C, einfallsreich auch die romantische Lyrik des Tschaikowskyschen Balletts "Schwanensee". Aber außer Mozart scheint dem Cicero-Trio Chopin am besten zu liegen: Perlend und locker, glitzernd und leicht spielte es Walzer und Präludes von Chopin in immer neuen Variationen und Interpretationen, ohne die dunklen Molltöne zu kurz kommen zu lassen. Was außerdem an den drei Solisten besticht, ist ihre spürbare Freude am Musizieren, ihr Temperament und ihre Präzision. Das Cicero-Trio wurde in der Philharmonie von einem vorwiegend jungen Publikum begeistert gefeiert.
Wer ist Eugen Cicero? In Berlin lebender, von MPS entdeckter rumänischer Pianist, der auf der Barockwelle des Loussier und der Swingle-Singers schwimmend, 1965 mit seiner Platte "Rokoko-Jazz" zum größten Erfolg seines Lebens gekommen ist? Heute ist Cicero übrigens nicht mehr MPS-Vertragskünstler. Er ist Pianist im "SFB Rundfunk Tanzorchester Paul Kuhn". Nach "Rokoko-Jazz" machte sich Cicero daran, Werke anderer Komponisten der E-Musik zu verjazzen. So z.B. Tschaikowsky, Liszt und Chopin. Auch sie verkauften sich hervorragend, kamen jedoch nicht ganz an den Erfolg von "Rokoko-Jazz" heran. Jetzt werden "Swinging-Tschaikowsky" und "Romonatic-Swing" (Liszt) als Einzel-LP aus dem Katalog gestrichen und als Doppel-Album unter dem Titel "Swinging Classics" neu aufgelegt. Der Ladenpreis 22 DM. Dieser günstige Preis und Cicero's Popularität sind die Voraussetzung für den Erfolg auch dieser Doppel-LP. (Zwar hat Cicero kürzlich bei Intercord neue Platten aufgenommen, eine Steigerung seiner MPS-Einspielungen hat er aber nicht geschafft).
Da sitzt zunächst ein sympathischer junger Mann im gut geschnittenen braunen Smoking fast ein wenig gelangweilt am Flügel und läßt geradezu spielerisch anmuntend seine Finger über die Tasten gleiten. Das angeschlagene Thema ist bekannt, ein Bach-Motiv, klassisch und schwer. Doch dann nimmt der 33jährige rumänische Wahlberliner Eugen Cicero die Brille ab, schließt die Augen, nickt dem Schlagzeuger Ronnie Stephenson aus Londen und dem Bassisten Gunter Lenz aus Frankfurt kurz zu - und los geht's. Dann wird das Tempo forciert, wird Scarlatti, Smetana, Schubert, Chopin und Liszt in einer Weise geboten, die wieder einmal fragen läßt, wer hier wen stimuliert: Die Jazz-Musik den Klassiker oder die Klassiker den Jazz-Pianisten? Was Harmonie, wechselnde Tempi, knallharte -zum Teil unmotivierte- Synkopen anbelangt, erinnert Cicero über weite Strecken an den Altmeister des Jazz-Klaviers: Duke Ellilngton. Aber dann, wenn er mit hinreißenden Läufen von phantastischer Schnelligkeit mit Klangkaskaden, die wie Paukenschläge kommen, und mit seinen überdehnten Ritardandos seiner Begleitmannschaft das Letzte abverlangt, dann ist das sein eigener Stil. Der Stil eines Künstlers, der seit seiner Jugend mit dem Instrument verwachsen ist. Und diese profunde Kenntnis reizt natürlich zur Spielerei. Ja, sie fordert geradezu heraus und vieles von dem, was Cicero bei seinem zweistündigen Konzert in der Kongresshalle bot, kann zwar nicht den Anspruch auf künstlerische Eigenständigkeit erheben, wohl aber als technisch brillante Spielerei gewertet werden.
Dass solches Spaß macht, demonstrierten Bassist und Drummer mehr als einmal. Aber auch wenn sie mit ihren Show-Effekten so gar nicht zu dem eher disziplinierten Cicero passen wollten, muss man das Trio als Ensemble betrachten, das aufeinander eingestimmt ist und mitgeht, wenn der Mann am Klavier das Tempo forciert und nochmals forciert, wenn er den Schlagzeuger hetzt, dass ihm die künstlicher Lockenpracht nur so um die Ohren fliegt. Ronnie Stephenson hält wacker mit, wohingegen Bassist Lenz gelegentlich mit und gegen sein Instrument kämpft, allerdings mit derart ulkig verzerrtem Gesicht, dass man ihm gelegentliche Patzer gerne verzeiht.
Man mag Eugen Cicero als den "Mann mit den goldenen Händen" hochstilisieren, sein Konzert vor rund 450 Hörern in Augsburg aber weist ihn noch nicht als Mann mit künstlerischer Originalität aus. Noch hat er sich wohl nicht entschieden, ob ihm der eigenständige Jazz lieber ist als die Improvisation und Mutation klassischer Themen -wie etwa der "Moldau". Aber seine Interpretationen echter Jazz-Stücke weisen unbedingt in Richtung Jazz-Pianist. Wenn Cicero in diese Richtung konsequent weiterarbeitet, könnte man ihn gelegentlich auch in die Reihe der großen "Swinger" aufnehmen. Dass aber das Publikum von seiner bestechenden Technik und Improvisationsspielereien begeistert war, zeigte sich am Beifall, der drei Zugaben forderte - olff -
"Mein historischer Namensvetter", sagt Eugen Cicero "war ein großer Redner, ich bin es nicht. Dafür konnte der damals nicht Klavier spielen". Eugen kann es. Und zwar brillant, fast wie Jacques Loussier -wenn er das auch in einem Auftritt im Jakob Kaiser Saal des Deutschlandhauses nicht unbedingt beweisen zu wollen schien. Selbst, wenn der altrömische Cicero vor zweitausend Jahren hätte Klavier spielen können, hätte er nicht beim Zitatenschatz beliebter Melodien so in die Vollen greifen können, wie Namensvettter Eugen das tut. Dieser nämlich verwertete alles, was er mag und was ihm so einfällt, von Bach über Smetanas "Moldau" bis zum Negro Spiritual. Solchen guten Bekannten mixt der clevere moderne Cicero in gediegener Bar-Atmosphäre, rührt gut durch und serviert sie als Cocktails, teil "on the rocks", teils mit Zimmertemperatur. Meist tut es das mit Pep und Geschmack. Trotzdem sollte er sich fragen, ob es beispielsweise notwendig ist, Bachs Alt-Arie "Erbarme Dich" aus der Matthäus Passion in ein Sahne Baiser zu verwandeln." - w -
Wenn der in Rumänien geborene und schon als Kind gründlich ausgebildete Eugen Cicero spielt, scheiden sich die Geister. Die Puristen denken sofort -und stilistische gesehen, drängt sich ein solcher Vergleich denn auch in der Tat auf, an Oscar Peterson. Sie führen seine Phantasie ins Feld, rühmen seine Technik, die Spanne seines Repertoires, vor alle aber seine rhythmische Intensität. In der Tat: das farbige kanadische Klaviermonster swingt wie kaum ein anderer Pianist und er scheint, heute, auf der Höhe der Meisterschaft, schier alles zu können.
Es gibt bei Cicero aber auch die anderen Hörer, die sich ergötzen an seinen harmlosen Spielereien, wenn er sich an Scarlatti, Chopin, Tschaikowsky und Liszt heranmacht, die sich freuen über einen gelungenen, blitzsauber gespielten Terzen-, Quarten- oder Sextabgang, die die Leichtigkeit genießen vielleicht die Bedeutungslosigkeit solchen Tuns.
Beide Standpunkte nun dürften nicht die einzig möglichen sein. Ist die Klavierwelt des Jazz, geprägt von der großen romantischen Tradition, nicht sehr groß? Wer erkennt nicht, schon nach wenigen Takten, den Teddy Wilson, den Monk, den Peterson, den Bill Evans, den Keith Jarrett? Sicher, sie sind die Großen, Originellen, Schöpferischen. Nur, wer sich von vornherein des Leichten, Harmlosen, Amüsanten begibt, der ist wie ein Autoingenieur, der nicht zum Trabrennen geht, weil der Sulky nur zwei Räder hat. Und schließlich: gibt es nicht auch, Gott sei Dank, jenes Reservoir, jene Ersatzarmee an Musikern, aus deren Reihen der Bedarf des täglichen musikalischen Konsums bestritten und geleistete werden muss? Brauchen wir, statt einer Welt voller Tastentitanen und Klaviergenies nicht viel dringender jene Musiker, die allein zwischen den unsäglichen Banalitäten der Muiskboxen und Diskotheken und dem Hochorganisierten vermitteln können und vermitteln?
Wer von Cicero verlangt, er solle Peterson sein oder sonst wer, der tut ihm nicht nur Unrecht- der übersieht auch, dass Cicero, trotz aller balkanesken Sentimentalitäten, Schwülstigkeiten, etwas kann, was sich nicht allen Pianören aus dem Reservefundus nachsagen läßt: er kann ganz einfach Klavier spielen, und damit geht es Stilistik hin oder her, erst mal los.
- Baldur Bockhoff -
Der rumänische Pianist Eugen Cicero (35) tritt nach zehn Jahren wieder in München auf. Es ist ein Freundschaftsgeschenk an den Schwabinger Jazzer Freddie Brocksieper, der am kommenden Sonntag seinen 63. Geburtstag feiert. Mit ihm spielt Cicero ab heute bis Mittwoch 27.August im Kleinkunstlokal "Spectacle": "Zuletzt machten wir in der Universitätsreitschule zusammen Musik, Brocksieper griff mir damals, als ich gerade aus Rumänien emigrierte unter die Arme", so Cicero zur AZ. "Die Jam Sessions mit ihm waren ein wichtiges Sprungbrett für meine neue Karriere".
In Klubs und Jazzkneipen muss er nicht auftreten. Cicero wurde mit seiner "leichten Klassik" international berühmt. Er füllt die großen Konzertsäle von Moskau bis London , macht TV-Shows und schmückt sich mit goldene Platten für die Verkaufserfolge seiner LPs. Das ermöglicht ihm auch, seinen ersehnten Lebensstandard zu halten: Ein großes Haus in Berlin mit einem Gärtner zwei schnelle Autos und einem Rennpferd.
Am Anfang stand die Langeweile: "Chopin oder Schubert so zu spielen wie alle anderen, war für mich uninteressant", sagt Frühaufsteher Cicero. So gar er den Klassikern einen Jazz-Rhythmus und krempelte sie mit eigenen Improvisationen um. In Rumänien stieß er damit auf wenig Verständnis: "Man hat mich zweimal vom Konservatorium geschmissen".
Doch beim Publikum kam Cicero mit seinen verjazzten Meistern gut an. "Schon Liszt improvisierte in Konzerten auf Themen, die ihm Zuhörer gaben. Dieser Typ von Pianist verschwand dann, aber heute benützt man wieder alle Stilmittel, um etwas Neues zu machen", so Cicero.
Einen echten Beethoven nach Noten spielt er nur noch zum privaten Vergnügen. In Konzerten ist er sowieso mit seinen eigenen Mischungen gefragt. "Der Flirt zwischen Klassik und Jazz ist vorbei, nun lebt man die Ehe", doziert Cicero und bereut es nicht, von der reinen Klassik-Richtung abgekommen zu sein. Außerdem kennt er seinen Grenzen: "Free Jazz, d hört es für mich auf. Ich mag keine Hirngespinste".
-Thomas Veszelits-
Wer versessen ist auf Pianisten, der kam in dieser Woche wahrlich auf seine Kosten. Das Rationaltheater bot mit Errol Dixon Historie, das Spectacle mit Eugen Cicero Virtuoses, das domicile mit Fritz Pauer handfest Swingendes.
Errol Dixon ist einer jener Blues Barden, die .....Das Pendant zu Errol Dixon ist Eugen Cicero. Das Spectacle hatte einen Konzertflügel gemietet, und es hatte recht daran getan. Dieser Pianist, 1940 im rumänischen Klausenburg geboren, bereits mit sechs Jahres als Wunderkind gefeiert, an Chopin und Liszt geschult, ist ein großartiger Klavierspieler. Puristen mögen einwenden, das Publikum tobe ja nur, weil es bei "I Remember April" nur das "Concert by the Sea" von Garner, den Tristano, den Tschaikowsky, den Chopin, den Prévin und den Peterson höre. Wahrscheinlich aber haben sie dann überhört, wie hier jemand mit seinen Fingern umgeht.
Bei Cicero stellt sich die leidige , aber dennoch berechtigte, Frage, was einen guten Musiker von einem guten Jazzmusiker unterscheide. Cicero harmonisiert geschmackvoll in der Tradition der Romantik , er beherrscht die technischen Raffinements großer Klaviermusik, doch er kommt aus Rumänien, nicht aus New York. Der Vergleich mit Oscar Peterson scheint angebracht: Peterson verfügt über ähnlich phänomenale pianistische Mittel. Seine Linke aber, die mühelos eine Dezime greift und dazu noch zwei andere Töne, kommt von Blues und Boogie Woogie, riecht so gar nicht Akademie. Bezeichnend, dass Cicero nicht einen einzigen Blues spielte. Da taucht zwar kurz ein Charlie Parker Thema auf, doch es dient als ein Einleitung für Gershwins "I got Rhythm". Man mag sich mokieren, diese Musik sei Jazz für Vierzigjährige mit Abitur, stricke nur an der Masche verpopter Klassik weiter, verzärtele sich oder suggeriere elitäres Bewußtsein beim opulenten Kulturkonsum -wenn Cicero Terzen oder Quarten das Klavier hinuntertreibt, wenn seine Finger absolut gleichmäßige Läufe spielen, wenn seine Harmonisierung nie danebengreift, dann ist das erstklassiges Klavierspiel. Große Jazzmusik ist es nicht, will es wohl auch nicht sein....
- Baldur Bockhoff-
Jazzflirt mit Klassik: Eugen Cicero spielt mit Hans Rettenbacher, bass, und Ronnie Stephenson, Schlagzeug, bis zum kommenden Samstag im "domicile". Im "domicile" versammelten sich diesmal die Showfreunde und nur wenig Jazzfans. Denn für die ist Eugen Cicero (36) nicht ganz "astrein": Er blendet durch Technik, Tempo und Temperament, hat aber nicht das echte Jazzfeeling. Für einen klassischen Pianisten besitzt Cicero zu wenig abgestufte Dynamik, für eine Jazzpianisten zu wenig Phantasie.
Bei Cicero packt das melodische Feuerwerk, und sein Fingarballett auf den Tasten animiert zur guten Laune. Die Paraphrasen auf Liszt, Chopin und Bach klingen witzig und haben einen ungarisch-österreichischen Schmiß. Wer diesen mag, wird von dem Pianisten prächtig bedient, und dafür verdient Cicero auch Beifall.
Wer immer noch geneigt sein mag, ihn als Schänder musikalischer Klassik zu werten, sollte es nicht mehr allzu lautstark tun: Eugen Cicero (36) Pianist aus Rumänien, erhielt von der Deutschen Phono-Akademie in Berlin den Deutschen Schallplattenpreis und den jährlich nur einmal zu vergebenden Titel "Künstler des Jahres".
Und das widerfuhr ausgerechnet jedem Musiker, der Bach, Chopin, Liszt und Tschaikowsky aus dem geweihten Fluidum deutscher Konzertsäle herausholte und in die Turbulenz der Jazzlokale transponierte. Cicero spielte im Kölner "Subway".
Ob man ihn zaghaft oder aggressiv nach der Problematik fragt, Introduktionen von Chopin in die Harmonie des Jazz zu übertragen oder sich bei der ungarischen Rhapsodie von Liszt oder einer Sonate von Scarlatti von Baß und Schlagzeug begleiten zu lassen -und man fragt es immer wieder- antwortet er überzeugt: "Ich glaube nicht, dass sich Chopin im Grabe umdrehen würde..."
Solche Fragen lassen ihn um so mehr unbeeindruckt, da er Chopin nicht nur jazzig zu improvisieren weiß, sondern au auch ebenso vollendet in der Notierung des Meisters spielt.
Das man mitunter immer noch zu vernehmende leicht Bedauern der Kritiker, "Schade, dass er sonst nur Jazz spielt", beeindruckt ihn längst nicht mehr, im Gegenteil: Vor jedem Jazzkonzert wird er unruhig, nervös -als Interpret klassischer Musik im Konzertsaal hingegen verspürt er keinerlei Lampenfieber. Das klassische Repertoire beherrscht er, Jazz dagegen bedeutet ihm jedesmal ein neues Abenteuer: "Ich fühle mich herausgefordert."
Als das einstmals musikalische Wunderkind aus Rumänien in die Bundesrepublik kam, voller Erwartungen, aber in ahnungsloser Unkenntnis des westlichen Kulturbetriebs, eröffnete ihm sein Impresario erfolgssicher: "Wir machen nur Chopin und Liszt, damit kommen wir in den Konzertsälen sechs Jahre über die Runden. Dann sehen wir weiter."
Der junge Pianist erschrak, fühlte sich grenzenlos verloren und wandte sich dem Jazz zu. Was ihn reizte und was er auch heute immer wieder bestätigt fühlt: "Der Jazz gibt mir größere Freiheiten, ich könnte ohne die Möglichkeit der Improvisation keine Musik machen. Interpret und Komponist zugleich sein, das kann ich nur im Jazz"
Respektvolle Distanz vor kultureller Tradition oder ganz musikalische Pietät sind ihm fremd: "Was gut ist läßt sich nicht verleugnen. Chopin konnte zu seiner Zeit nicht wissen, welche harmonischen und kontapunktischen Möglichkeiten es noch gibt. Lebte er heute, würde er gar nicht weit von ihm entfernt sein".
Cicero sieht im Lager der klassischen Interpreten eine immer stärker werdende Phalanx von Musikern und Dirigenten, die sich ernsthaft um die Aussöhnung von Jazz und Klassik bemühen. Leonard Bernstein begleitet mit seinem Symphonieorchester den Jazzpianisten Dave Brubeck, Yehudi Menuhin spielt im Duett mit dem Jazzgeiger Stephane Grappelli, Friedrich Gulda übernimmt den Klavierpart im Eurojazzorchester -das sind inzwischen längst keine Ausnahmen mehr.
Dennoch sieht Cicero, dessen Plattenerfolge sich inzwischen der dritten goldenen Schallplatte nähern, nicht alle solchen Entwicklungen mit Freude: Unverkennbare Skepsis bringt er Jacques Loussier entgegen, dem französischen Jazzpianisten, der mit Play Bach einen Welterfolg hatte.
Der Name ist auf jeden Fall werbewirksam, denn Cicero heißt kaum sonst jemand und ist doch ein bekannter Name aus der klassischen lateinischen Literatur, der überall, in dem Land vertraut klingt. Der rumänische Pianist, der sich diesen Namen zugelegt hat, tat dies allerdings mehr der Not gehorchend, denn sein richtiger Familienname klingt fast gleich, aber kein Nicht-Rumäne könnte diesen auch nur einigermaßen richtig aussprechen, doch mit dieser kleinen Veränderung ist das Problem restlos gelöst. Der Vorname ist sein richtiger, wenn natürlich in Rumänien auch etwas anders ausgesprochen. Eugen Cicero ist in den letzten Jahren bekannt geworden mit Schallplattenaufnahmen, in denen er bekannte Stücke von klassischen Komponisten verjazzt und sein Titel "Eugen Cicero spielt Schubert" hat den Deutschen Schallplattenpreis 1976 erhalten. Cicero ist der Schweiz eng verbunden, denn seine Emigration führte zunächst nach Zürich, wo er längere Zeit im "Kindli" als Unterhaltungspianist tätig war und natürlich auch viel Schweizer Folklore verarbeiten mußte. Als einem versierten Barpianisten ist ihm das sicher nicht schwer gefallen, und diese Tätigkeit hat vielleicht auch einiges zu Entwicklung seines "Stils" beigetragen.
Ich setze allerdings "Stil" bewußt in Anführungszeichen, denn das ist vielleicht gerade das, was ihm fehlt: der wirklich persönliche Stil. Er spielt alles, alles gekonnt, vor allem äusserst brillant, immer noch etwas schneller, als man glaubt, dass es noch möglich sei, aber er spielt zu versiert, zu sehr wie ein mit allen Wassern gewaschener Barpianist, der seinen täglichen Dienst tut. Seine großen Vorbilder Art Tatum, Erroll Garner und vor allem Oscar Peterson verleiten ihn dazu. Er spielte im Laufe der Sendung auf Wunsch des Gesprächspartners "Sheik of Arabia" im Stil von Peterson, und zwar recht gut. Charakteristisch war aber seine Reaktion auf die Frage, wie er denn dieses
Thema in seinem eigenen Stil spielen würde. "Nicht so mörderisch schnell, die Harmonien etwas verwechselt", und was man zu hören bekam, war der typische Allerweltsstil, mit dem an überall durchkommt, der aber keine eigenes Gesicht trägt.
Etwas vom Besten aus seiner Produktion, das man auch in dieser Sendung, wenigstens ausschnittsweise, zu hören bekam, ist jede Bearbeitung des Impromptus Es-Dur, op.90, Nr.2, von Franz Schubert, bei der sein auch in den schnellen Läufen faszinierend perlendes Spiel durch Streicher mit einer Zusatzmelodie versehen wird; ausserdem läuft natürlich immer Jazzschlagzeug mit. Doch gleichzeitig muss eingewendet werden, dass dies ein bißchen billig gemacht ist, während dann der richtig verjazzte Mittelteil wenigstens vom Rhythmischen her einiges mehr Spannung erzielt. Aber jenen Pianisten, der ihm Jahre zuvor schon die Show gestohlen hat und er ihm zum großen Hindernis wurde, Jacques Loussier mit seinen "Play Bach" -Aufnahmen, erreicht er nie, weder in bezug auf persönliche Profilierung noch in bezug auf geistreiche, ungewohnte musikalische Formulierungen aus dem Zwischenbereich zwischen Jazz und Klassik; diesen Zwischenbereich betritt er eigentlich gar nie, er spielt immer nur das eine oder das andere, während gerade dieses schillernde, nicht ganz eindeutig Stellung beziehende Grenzgebiet bei Loussier unheimlich viel faszinierende Wirkung erzeugt.
Cicero stand hier im Studio Zürich mit Ulrich Beck im Gespräch. Die Sendung war sicher vorwiegend als Unterhaltung gedacht, aber wider Erwarten verhielt sich der Interviewer zu brav und seriös und auch zu blass, indem er kaum eine eigene Meinung zu äußern wagte. Cicero dagegen, wenn auch da und dort etwas mit der deutschen Sprache kämpfend, aber durchaus nicht in einer den Hörer ermüdenden oder störenden Art, verstand es, pointiert und sehr unterhaltsam zu sein und immer wieder mit überraschenden sprachlichen Formulierungen aufzuwarten. Das Gespräch blieb etwas zu lange bei der Jugend des Interpreten und Arrangeurs hängen und mußte schließlich recht unvermittelt abbrechen. So hörte man über seine jüngste Zeit, über seine Reisen in Japan und darüber, was er heute produziert, praktisch nicht, mehr und das wäre doch sicher manches noch erfahrenswert gewesen.
Keine Kritik würde dem Pianisten Eugen Cicero, der mit eigenem Steinway im "domicile" gastierte, gerecht -allzu vielseitig ist sein Programm, zu breit die Palette. Da stören mitunter die dahinschnurrende Geläufigkeit , Reminiszenzen ans Wohltemperierte, Routine, rhapsodisch ausholende Einleitungen, doch dann plötzlich singt und klingt seine Musik. Man mag es für prätentiös halten, wenn Cicero in einem Jazzclub eine Arie aus der Matthäus-Passion spielt, wenn er ein Stück wie "Autums leaves" in Bachs Nähe rückt, wenn er immer wieder Polyphones, Fugiertes einflicht, man mag über Stilistisches streiten - die pianistische Qualität ist unumstritten. Er kennt seinen Lennie Tristano (den viele junge Pianisten offensichtlich übersehen haben), er weiß den Ragtime zu spielen nach bester Tradition. Tschaikowsky und Chopin hat er schon lange auf Platten verarbeitet, brillant, virtuos, spritziger als so mancher Kollege vom seriösen Fach. Er kann es sich auch leisten, die "Moldau" zu spielen, ja sie sogar zur Quelle im Böhmerwald zurückzuführen, weil sein Klavierspiel einfach erstklassig ist.
Der Streit hat sich schon immer prompt eingestellt, wenn derart Artifizielles auf die Vorurteile der Puristen prallte -ist das überhaupt Jazz oder bloß die Imitation eines Gershwin-Potpourris von Leonard Pennario? Natürlich spielt cicero überwiegend Klassisches aus der E- und U-Musik, natürlich ist sein Art der Verarbeitung geprägt von der romantischen Klaviertradition, die ja schließlich auch ganz akzeptable Stücke zustande brachte. Natürlich wird man auch vergeblich modales Arbeiten suchen, weil Ciceros Spiel ausschließlich auf dem diatonischen Dur-Moll Prinzip basiert. Wer solche Fragen stellt, Modernität um jeden Preis erzwingen will, ist zumindest auf einem Auge blind für Qualität. Jazz aller Spielarten ist immer Musik, aber nicht alle Spielarten der Musik sind Jazz. Es gilt, Barrieren abzubauen, Sie gar nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen.
Anzumerken bliebt ferner, dass sein Trio, nach längerer Tournee, ausgezeichnet eingespielt ist. Bassist Garry Todd musiziert zuverlässig, metrisch und rhythmisch exakt, die Intonation stimmt, der Ton ist rund und ausgewogen. Schlagzeuger Joe Nay ist einer der wenigen seines Fachs, die begriffen haben, dass Trommeln nichts mit der Kanonade von Valmy zu tun hat. Der Breaks werden harmonisch, ohne jede verkrampfte Hektik eingebracht ins Kollektiv, dieses wieder aufgelöst in solistische Partikel. Das Trio des Eugen Cicero liefert den Beweis, dass man unterhaltsam und doch intelligent musizieren kann.
- Baldur Bockhoff -
Die Scotch-Kneipe am Felitzschplatz, ein ehemaliger Discoschuppen, wurde vom Besitzer Peps Kommer und seinem neuen Teilhaber Gerry Hayes jetzt in eine Piano Bar umfunktioniert. Bis zum 13. August gastiert dort Starpianist Eugen Cicero im Trio mit dem Schweizer Bassisten Peter Frey und dem Schlagzeuger, Sänger und Entertainer Gerry Hayes.
Der seit zwei Jahrzehnte in Deutschland lebende Rumäne Eugen Cicero, durch zahlreiche Funk- und Fernsehauftritte hier längst kein Unbekannter mehr, stellte sich dem Publikum wieder in alter Form vor: Brillante Technik, gepaart mit musikalischem Witz machten den Auftritt des jazzenden Klassikers zur Show.
Mit drei Préludes von Chopin, garniert mit zahlreichen Cicero-Klischees, Dvoraks Humoreske -seit Art Taum ein beliebtes Vehikel jazzmusikalischer Selbstdarstellung -sowie Standards aus Swing und Mainstream demonstrierte Cicero dabei weniger musikalischen Tiefgang als virtuose Effekthascherei.
Ein Jazzer ist er jedenfalls nicht. Dazu fehlt ihm das Lockere Swingfeeling. Und zu vieles klingt aufgesetzt, konstruiert. Ein Klassiker ist er nicht mehr. Dazu ist sein Umgang mit dem klassischen Material zu sorglos und keß. Muss man wirklich Chopin noch korrigieren, verbessern oder gar aufmotzen? Was bleibt ist ein bravouröser, "glamour Music" produzierender, mit Jazz und Klassik liebäugelnder Society-Pianist. Peter Nero läßt grüßen.
- Hans Ruland-
In einem kurzfristig angesetzten Konzert war der aus Rumänien stammende und namentlich in Deutschland wirkende Pianist Eugen Cicero am Montag abend als Gast im Bernhard Theater zu erleben. Sein Umgehen mit der Klaviatur, das wird bei den ersten Takten hörbar, "muss" eigentlich prima vista auf Ablehnung von zwei Seiten her stossen. Zum einen stellte er nämlich den "Klassikern" nur Fragmente berühmter Komponisten (von Bach und Scarlatti bis Schubert und Tschaikowksy) vor , und dies stark rhythmisiert sowie mit kurzen Zitaten aus bekannten Werken von Meistern wie Mozart oder Beethoven "ergänzt". Zum anderen improvisiert er zwar durchaus jazzmäßig sowohl auf dem harmonischen Aufbau "klassischer" Themen als auch auf Evergreens wie LAURA oder gar GLORY GLORY HALLELUJA, wildert aber dabei durch sämtliche Stilarten.
Trotzdem: Eugen Cicero bleibt aus zwei Gründen immer noch hörenswert, denn erstens ist er ein brillanter Pianist, und zweitens hat er viel Humor. So erinnert sein Chopin-Medley an die respektlosen übungen eines schelmischen Klavierschülers, der Impromptus und Walzer perfekt beherrscht, jedoch plötzlich lieber auf einem völlig anderen "Chorus" improvisiert. Dass gerade dieses Kontraste, die "Klassiker" und "Jazz-Fans" in gleichem Masse zu irritieren scheinen, ihm besonders Spaß bereiten, ist offenkundig, wobei das überraschende Zusammenspiel mit anderen Musikern -am Zürcher Konzert dem Bassisten Roman Dylag und dem Schlagzeuger Rolf Bänninger- dem Wechselbad von Themen und Rhythmen eine zusätzliche Komponente verleiht. Dass Smetanas Moldau zum Bossa Nova wird und Dvoraks Humoreske ernste Töne einschliessen können muss ja nicht jedem gefallen, kann aber durchaus unterhaltend sein und sogar an den Autor - gt -
Das war, 1977, für die Boulevardpresse zwischen Berlin und München schon eine schöne Aufregung wert, als der rumänische Starpianist Eugen Cicero mit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut am Steuer eines teuren Flitzers drei Autos rammte, für ein Jahr den Führerschein los wurde, Mordskrach mit seiner Frau Lilli hatte, sich nach zwölf Jahren Ehe von ihr trennte, seinen Trunkenheitsanwalt verklagte und wochenlang in einer Münchener Junggesellenwohnung verschwunden blieb.
Stars haben's eben schwer, sich im Schlaglicht öffentlicher Neugier zurechtzufinden, die so routiniert Nebenschauplätze auftut, um sachkundigen Stellungnahmen zur Profession der Opfer elegant ausweichen zu können. Bei Eugen Cicero liegt der "Fall" freilich etwas schwieriger. Denn der 1940 geborene Bukarester, der bei der Klaviervirtuosin Madame Lipatti, Mutter des legendären Dinu, studiert hat, als 22jähriger in den Westen emigrierte und dort, von Zürich aus, als bald schon hochdotierter Musiker zum Starpianist avancierte, richtete sich -er war in Paulchens Kuhn SFB-Bigband- in Berlins Grunewald nicht nur eine Luxusvilla im englischen Stil ein, sondern verprellte ständig auch die Kritik , und das erst recht, als er, nach München umgesiedelt, vor allem auf das Konzertieren in kleinen Formationen setzte.
Da geriet der Platten-Bestseller für's Leichte, der Art Tatum, Oscar Peterson und Erroll Garner zu seinen großen Vorbildern zählt erst recht auf die Objektträger der Rezensenten. Denn während die Berliner "BZ" anno 1977 stolz darauf verwies, dass Cicero ein Angebot aus London, Plattenaufnahmen in der hehren Royal Albert Hall zu machen, zugunsten des Kleinen Theaters am Südwestkorso ausschlug, erkannten die schreibenden Theoretiker gerade darin des Tastenkünstlers Schwachstelle: Er sei, im Grund, doch ein besserer Barpianist, der im Windschatten des Franzosen Jacques Louissier ("Play Bach") mit den großen Klassikern Verballhornung betriebe, weil er es entweder nicht besser könne oder um des Mammons Willen nicht wolle.
Wer weiß. So jedenfalls ergeht es Leuten, die sich im bildschirmgerechten "Konzert für Millionen" genauso zurechtfinden wie in Münchens altem Jazz Club "domicile", wo Cicero etwas mit Gary Todd am Baß und dem Berliner Wahlbayern Joe Nay am Schlagzeug 1978 einem Musikkritiker zu schreiben eingab: "Vergeblich wird man modales Arbeiten suchen, weil sein Spiel ausschließlich auf dem diatonischen Dur-Moll-Prinzip basiert"; aber auch: "Das Trio liefert den Beweis, dass man unterhaltsam und doch intelligent musizieren kann". Dagegen bemäkelt ein anderes Blatt das "musikalische Einerlei", bescheinigt ihm "Show statt Jazz", während ein drittes das "melodische Feuerwerk", "Fingerballett" und den "ungarisch-österreichischen Schmiß" lobt.
Stimmt schon: Der um Ernsthaftigkeit bemühte Hörer bliebt bei Eigen Cicero immer ein bißchen im Regen stehen und wird von ihm daran erinnert, dass die Amerikaner, das Jazz-Volk, von solchen europäischen Hell-Dunkel Kategorisierungen nichts halten -siehe Peter Nero: "Hauptsache, es hört sich gut an".
Vom "Stil", persönlichem Gestus, könne man bei ihm nun mal nicht reden, dekretiert, zu Recht, die Neue Zürcher Zeitung". Wie er denn, hielte er sich nicht an Peterson, den "Sheik of Araby" wohl interpretieren würde? "Nicht so mörderisch schnell, die Harmonien etwas verwechselt", sagt Cicero.
Es stimmt aber auch, das man von solch einem Mann nicht verlangen kann, er solle mal eben Peterson sein, nur um ihn davon abzuhalten, sich an Scarlatti, an Tschaikowsky oder an Liszt zu vergreifen.
Soll er doch. Schließlich muss es auch die Zuständigen fürs Leichte geben, fürs "Konzert für Millionen" für die Nichtpuristen und den Hörern. Dem ehemaligen Jazz-Bassisten Hans Last, genannt James, kreidet man auch keinen Verrat an. Und wer das alles nicht mag, kann sich ja gut und gerne seinen Glenn Gould, seinen Barenboim oder seine Haskil auf den Teller legen.
- Alexander Schmitz -
Aurelia Cionca hatte als junge Frau beim alten Franz Liszt viel über das Raffinement des neuzeitlichen Virtuosentums gehört. Liszt selbst hatte die überkommene Klavier-Tradition von Czerny und dem weltberühmten Salieri in Wien übernommen und unter dem Eindruck des "Teufelsgeigers" Paganini zu bis dahin nicht geahnter technischer Vollendung weitergebracht. Der 11jährige Eugen Cicero kam schließlich in die musikalische Obhut von Aurelia Cionca, so dass seine Meisterschaft in direkter Linie von Czerny, Salieri und Liszt herstammt.
Cicero kommt selbstverständlich von der sogenannten klassischen Musik, die er heute nicht mehr so gerne von der U-Musik, also der Unterhaltungsmusik, trennen möchte. Seine überragende Technik, seine fundierte Kenntnis der dazugehörigen theoretischen Details und seine enthusiastische Hinwendung zu rhythmischen Elementen machen Eugen Cicero zu einem Meister verjazzter Klassik.
Seine ungezählten Zuhörer in aller Welt wird es heiß bei diesen Klängen: den einen vor Zorn, weil sie ihre vergötterten Heiligtümer geschändet sehen, einer größeren Zahl aber vor Freude, weil Ihnen der despektierliche Umgang mit Bach und Chopin mit Mozart und Tschaikowsky den Swing in die Glieder treibt.
Vergessene Daten:
Bei unserem Gespräch im Aachener Nobelhotel Quellenhof stellen wir fest, dass der Pianist in den letzten Jahren ein wenig der öffentlichkeit verlorengegangen ist. Zwar gab es immer mal wieder Fernsehauftritte, aber die dauerhafte Präsenz eine Paul Kuhn oder eines Horst Jankowski -um nur zwei seiner Pianistenkollegen zu nennen- tauschte Cicero ein gegen eine schöpferische Pause. Sie hat keineswegs das Interesse seiner Fans verschüttet, im Gegenteil, die Fangemeinde ist vor allem im Ausland stark angewachsen.
Berühmt in Japan:
Die reicht von Japan ("dort verkaufe ich hundertmal mehr Platten als hier") bis Neuseeland, von Korea bis Brasilien, exakte Gema-Abrechnungen weisen dies aus. Bezüglich seiner Biographie hilft uns der leutselige Rumäne im eleganten grauen Zweireiher bereitwillig wieder auf die Sprünge: Er ist am 27. Juni 1940 als Sohn eines Priesters -wie er sagt- in Klausenburg in Transilvanien geboren. Schon vier Jahre später gilt er als musikalisches Wunderkind. Bevor er elf ist, spielt er mit allen bedeutenden Orchestern seiner Heimat die Klavierkonzerte von Mozart, Chopin und Grieg. Der intensive Privatunterricht bei Aurelia Cionca gibt im den letzten Schliff.
Wahl-Schweizer:
Die tradierten Werke der Musikkultur -Harmonie und Kontrapunkt, Komposition und Pädagogik, Interpretation und Improvisation führen ihn geradewegs zu einer Musikprofessur, die er mit den höchsten Auszeichnungen erwirbt. Und dann gibt es Krach mit dem offiziellen Rumänien, das Anstoß an der musikalischen Freiheit des Meisters nimmt. Schließlich trennt man sich, das heißt -Eugen Cicero wechselt nach Westberlin und dort zum Sender Freies Berlin. Er wird Solopianist bei Deutschen Fernsehen, macht Schallplatte auf Schallplatte, spielt Konzerte in ganz Europa , im Osten wie im Westen -in Japan, in Südafrika etc., etc.
Als er schließlich von der Deutschen Phono-Akademie zum Künstler des Jahres gewählt worden war und nach rund 50 Schallplatten, bricht er die Zelte in Berlin ab, geht in die Schweiz und ordnet seine persönlichen Verhältnisse, die er dem ungeheuren Arbeitsdruck geopfert hat. Jetzt, ein paar Jahre später sucht Eugen Cicero die öffentlichkeit wieder, er macht wieder Schallplatten und spielt wieder Konzerte. Voller Charme erzählt er von seiner wiedererwachten Experimentierfreudigkeit. Er freut sich auf seinen neuen Schimmel Flügel aus Acryl für das Schweizer Heim und spricht von neuen Taten. Sie verbinden sich mit lauter ehrwürdigen Namen wie Mozart, Bach, Scarlatti, Schubert und Chopin und dem Versuch, ein Verbindung zu schaffen zwischen der Musik, die er aus Liszts Geist übermittelt bekommen hatte und jener Musik, die den Geist des ausgehenden 20. Jahrhunderts widerspiegelt. Die Freunde von verjazzter Klassik dürfen sich freuen.
- Horst Manstein -
Horst Jankowski, einst das große junge Tasten-Talent im Orchester Erwin Lehn, zieht es regelmäßig von Berlin nach Stuttgart zurück. Nachdem er einige Zeit die Jazz-Gastgeberrolle im "AT Podium City" übernommen hatte, wechselte er jetzt in eine noch feiner Disco über. Von nun an sollen jährlich sechs Konzertveranstaltungen im "Perkins Park" stattfinden. Kein Zweifel, Stuttgarts Schicki -Mickis dürfen sich beim heiter beschwingten Swing auf dem Killesberg wohl fühlen.
Der jetzige RIAS Big Band Chef Jankowski hatte "seinen" (leider indisponierten) Bariton Saxophonisten Helmut Brandt aus Berlin mitgebracht, von Frankfurt den einstigen Lehn-Kollegen Conny Jackel (Trompete) eingeladen und am einen Schlagzeug saß Andy Witte, Sohn des Bassisten bei Erwin Lehn "Fifi" Witte. Am zweiten Drumset mischte Ringo Hirth mit, der ja mal mit Hubert Kah die Neue Deutsche Welle überschwappen ließ....
Als Stargast fungierte Eugen Cicero sein Markenzeichen ist bekanntlich, Klassik Hits der unterschiedlichen Epochen zu verjazzen. Mit Anmut interpretierte der rumänische Pianist die rasante "Badinerie" aus Bachs h-Moll Suite, BWV 1067, und improvisierte elegant darüber. Nach Tschaikowskys rhythmisch bewegtem "Schwanensee" entwickelte Cicero zusammen im Duo mit Jankowski ein Gershwin-Medley, angefangen bei der "Rhapsody in Blue" bis zu "I got Rhythm". Der pianistische Newcomer Michael Schließer aus Gerlingen durfte beim C-Jam Blues mitwirken und ein ganz persönliches Erfolgserlebnis feiern....Ein netter Abend gewiß, freilich ohne irgendeinen musikalischen Tiefgang. - Hans Kumpf -
Eugen Cicero pflegt seit Jahrzehnten den lockeren Umgang mit Klassikern. Die populärsten Werke der Alten Meister, Bach, Scarlatti, Mozart, Schubert, Chopin, Tschaikoswky, Smetana, Dvorak- steckt er in moderne, in swingende synkopische Gewänder. Gutgelaunt gastierte der Jazz-Pianist, der bis vor wenigen Jahren in Berlin zu Hause war, im Hochschulsaal. Ihn und seine beiden holländischen Begleiter Henk Haverhoek (Baß) und John Engels (Schlagzeug) inspirieren die großen Melodien zu immer neuen, immer üppigeren Improvisationen. Auch Ciceros pianistische Virtuosität ist unbestreitbar.
Rundum brillant sind Improvisationen wie die zu "Erbarme Dich, mein Gott" aus Bachs Matthäus Passion, die nicht nur melodische Motive aufgreifen, sondern auch den Charakter, den Geist des klassischen Werkes im Jazz fortleben lassen .
Interessanterweise stellte Eugen Cicero sein Konzept zum Ende des Konzertes auf den Kopf und spielte zum Vergnügen des Publikums einige Jazz Standards mit klassischem Einschlag.
- M.H. -
Eine Premiere erlebten die Donaueschinger am Freitag Abend in der Jugendmusikschule. Der Jazzpianist Eugen Cicero eröffnete das Kleinkunsttheater im Gewölbekeller. Ein gelungener Auftakt wie BZ-Mitarbeiter Frank Dolischweski findet: "Oh, wie Du deine Finger lenkst, Du eminenter Tastenhengst..", möchte man in Anlehnung an ein Gedicht von Heinz Erhardt ausrufen. Gibt es eine Ausbildung, in der Pianisten gleichzeitig das Handwerk des Magiers erlernen, danach der Gilde der Bühnenzauberer angehören? Dann scheint Eugen Cicero diese Ausbildung absolviert zu haben. Bei ihm werden zwar nicht Hühner zu Hasen, Blumensträuße zu Tauben oder gar hochgewachsene Damen in kleinsten Käfigen mit Degen und Dolchen zerstochen, um danach quicklebendig wieder aufzustehen.
Aber seine Kunst ist eine Meisterschaft, die an solchen Bühnenzauber erinnert: Johann Sebastian Bach wird zu Charly Parker, Domenico Scarlatti zu George Gershwin, Fréderic Chopin wird zur Dame ohne Unterleib, dessen Melodien mit fremden Rhythmen und Bässen kombiniert werden. Und wenn Eugen Cicero "Autumn Leaves" spielt, zaubert er auch schon mal eine Wendung aus "Night in Tunesia" hinein, was ihm übrigens auch bei Smetanas Moldau passieren kann, die ohnehin zum Bossa Nova umgestaltet wird und quasi nach dem Motto: Alle Flüsse fließen irgendwann ins Meer, den Zuckerhut als lateinamerikanischer Rhythmus umspült. Auch Bach wird dabei in den Ozean des Swinging Jazz einbezogen, getreu Beethovens Bonmot, Johann Sebastian müsse eigentlich "Meer" heißen, ob seiner Vielfältigkeit, denn seine Musik, dass haben wir bei "Play Bach" ja bereits gelernt, ist genauso zeitlos wie populären Adaptionen verfügbar.
Was Eugen Cicero so besonders macht: seine pianistische Kinderstube. Denn hier ist alles angelegt, was einen guten Pianisten ausmacht: eine ausgefeilte Technik, Sinn für das musikalische Ein- und Umsetzen von Phrasen, dynamischen Verläufen, Artikulation, versicherter Umgang mit dem Pedal, das manchmal flutet, manchmal trockenen Akkorden eine kleine Lebendigkeit einhaucht. Der einstige Klassiker hat sich früh dem Jazz verschrieben, ohne die Klassik ganz aufgeben zu können und zu wollen. Aus der Note ist eine Tugend geworden: die Thematik seiner Improvisationen ist klassischen Ursprungs.
Dass er im Gewölbekeller der Jugendmusikschule Donaueschingen auftritt, ist ein glücklicher Zufall für das hiesige Publikum: "Früher habe ich immer in großen Sälen gespielt, das macht ja keinen Spaß", erklärt er seinem Publikum. "Vor allem, wenn die Säle halb leer sind." Nun, so schlimm wird es nicht sein; und dass er gerade in der Gegend ist, hat sicherlich auch damit zu tun, dass er am Hohner Konservatorium in Trossingen eine Meisterklasse aufzubauen gedenkt.
In Trossingen ist Jazz-Insidern im Canapé übrigens auch sein Sohn Roger bei der montaglichen Jazz-Session aufgefallen, wo er hin und wieder zum Mikrofon gegriffen und gesungen hat. Ihn stellt Eugen Cicero erstmals vor ("Er ist mein einziger Sohn, seien Sie nett zu ihm"). Kein Zweifel: Da ist ein Talent im Begriff sich zu entwickeln. Mit angeborenem Gespür für vokale Spielereien, gut beobachteter Mimik und ausgezeichnetem stimmlichen Material (Das Timbre erinnert in manchen Momenten gar an Stevie Wonder) sollte Roger Cicero der professionelle Einstieg in das Metier nicht schwerfallen.
Zum Erfolg des Abends tragen die ganz vorzüglichen Begleiter Eugen Ciceros bei: Ringo Hirth am Schlagzeug mit virtuosesten, mitunter reichliche ausgedehnten Soli, die an Farbe nicht zu übertreffen sind und Thomas Heidepriem mit seinem "sprechenden" Baß, bravourös improvisierend und das sonstige Geschehen profunde untermauernd. Die Jonglierspiele durch die Welt der klassischen Musik, jazzig verfremdet, nehmen erst nach Mitternacht ihr Ende. Der Gewölbekeller der Jugendmusikschule dürfte als Veranstaltungsort Karl Heinz Naumann und seinem Team noch viel Freude bereiten. Vorausgesetzt er wird von der Stadt und Sponsoren weiterhin unterstützt. Aber darüber dürfte, nach "Poesie & Jazz" im vergangenen Jahr und dem jetzigen Erfolg, kaum Zweifel bestehen.
- Frank Golischewski -
Gemessen am Cicero-Boom der sechziger Jahre, hat sich der technisch brillante Pianist in letzter Zeit auf deutschen und europäischen Konzert Bühnen eher rar gemacht. Mit nachlassender Popularität hatte das wenig zu tun. Nach mehr als dreißig Jahren Auftritts- und Studiostress suchte er Zeit und Muße, um seine zahlreichen Klassikerbearbeitungen in verlagsgerechter Form niederzuschreiben. Viele Jazzfans mögen den in Klausenburg (Rumänien) geborenen Tastenvirtuosen schon abgeschrieben haben. Nur selten hörte man von Abstechern, die ihn ins intime Flair eines Jazz-Clubs führten. Nun kehrte "Mr. Golden Finger" der eigenwillige Exponent des sogenannten "Rokoko-Jazz" ins gewohnte Revier zurück.
Im Berliner "Franz-Club", wo er anläßlich seiner Deutschlandtournee gastierte, brauchten die Cicero-Bewunderer ihr Kommen nicht zu bereuen. Wie in seinen besten Tagen begeisterte der inzwischen in der Schweiz lebende Piano-Jazz-Individualist das Publikum mit seiner Vorliebe für Bach, Chopin, Mozart und Tschaikowsky. Cicero versteht wie kein zweiter, die vorhanden Barrieren zwischen Jazz und Klassischer Musik ohne stilistiche Verstauchungen zu überspringen. Darin unterscheidet sich der souveräne Komponist von den schmucklosen Klassik à la Swing-Modellen eines Jacques Loussier und den Swingle Singers. Eugen Cicero, begleitet vom ungarischen Baß-Wunder Aladar Pege und dem Baden-Badener Schlagzeuger Ringo Hirth, ging wie gewohnt über jenen engen stilistischen Rahmen weit hinaus.
Natürlich ließ sich der redegewandte, sympathische und humorvolle Künstler nicht davon abbringen, obwohl auf Ensemble-Intergrität orientiert, das Konzert mit einem A-cappella-Klassik-Piano-Set zu beginnen. Doch damit hatten sich die Extravaganzen des Chefs bereits erschöpft. Was danach kam, war vortreffliche Trio-Musik wie aus einem Guß. Bach-Kompositionen, untersetzt mit paßgerechten Bossa Nova-Motiven, flüssig, leicht und spielerisch interpretiert, verbreiteten die Aura eines frischen Modern-Jazz-Konzeptes. Der Pas-de-deux-Part aus Tschaikowskys Schwanensee-Ballett, von Eugen Cicero umgeschrieben, erweckte keineswegs den Verdacht der Vergewaltigung eines Klassikers. Eingebaute Dreiviertelmetren und Hardbop-Muster reflektierten eine in sich geschlossene Komposition, die nicht in barocken Jazzformeln erstarrte. Ciceros unbeschwerte Ausflüge ins weiter Reich stilistischer Möglichkeiten, bis hin zur typischen Erroll-Garner-Spielweise mit dem nur scheinbar nachhinkenden Beat, ließen sich vor allem deshalb realisieren, weil Aladar Pege und Ringo Hirth dem Piano- Maestro konsequent und kompetent den rhythmischen Rücken freihielten. So kam es nie zu interpretatorischen Widersprüche.
- Wolfgang Quander -
Die Dunkelheit verführt die Augen zu schließen. Ganz klar sind die perlenden Läufe des Steinways zu hören -wie silbriges Plätschern eines Gebirgsbachs: Es gibt nur wenige Mozart-Pianisten, die diesen leichten, tiefgreifenden Grundton besser treffen können. Christian Zacharias vielleicht? Und welche Mozart-Sonate ist das überhaupt?
Der sanfte Schlagzeugeinsatz nach der swingenden Schlußkadenz holt, ohne zu ernüchtern, die Welt ins Bewußtsein zurück. Man erkennt am Klavier im Großen Gewandhaussaal die Jazz-Legende Eugen Cicero, begleitet von Bassist Aladar Pege und Schlagzeuger Willy Ketzer. Doch Cicero spielte gar nicht Mozart, sondern seine Komposition "Christianas Song". Das Lied verrät viel über den Ausnahmekünstler E.C.: Er ist ebenso im klassischen Fach zu Hause, wie er als genialer Improvisationskünstler die Zuhörer in Ekstase spielen kann.
Davon jedoch ist zunächst wenig zu spüren: Nur müden Beifall spendet das Publikum dem virtuosen Bass-Solo Peges, des "Paganinis des Kontrabasses". Auch mein Nachbarin wippt nur träge mit den Füßen.
Doch schon mit der nächsten Nummer wird dies anders: Die Bearbeitung von Bachs "Erbarme Dich" - Arie aus der Matthäuspassion weckt den Saal, und zaghaft fängst es auch neben mir an, zu klatschen.
Wieviel Spaß den drei Musikern das gemeinsame Spiel bereitet, zeigt der Song "Preacher". Immer wieder läßt Cicero verspielt Zitate anklingen. Plötzlich ertönt Liszts Liebestraum. Der Drummer trommelt in seinem Solo auf dem Notenpult und Pege gibt Gesangseinlagen. Eugen Cicero reißt nicht nur das Publikum mit, sondern auch die Kollegen, denen er viel Raum zu Entfaltung gibt. Neben mir erklingt herzhaftes Lachen über die gekonnten Übergänge: Im klassisch ausgeleuchteten "Sunny" findet sich Mozarts Türkischer Marsch und Beethovens Mondscheinsonate wieder. Eine Verunstaltung wie der ältere Herr in der Reihe über mit meint?
Nein, Cicero hat die seltene Gabe, Stilgrenzen galant zu verwischen, ohne dabei Schweißnähte offenzulegen Soviel Witz, wie seine Bearbeitung von Bachs Badinerie offenbart, wünscht man jeder Interpretation.
Am Ende gibt's mit Gershwins "Rhapsody in Blue" und darin auftauchenden "I got Rhythm" sogar noch einen echten Standard, bei dem die Drei auf der Bühne zeigen, dass sie auch "normalen " Jazz mit klassischer Brillanz spielen. Aldar Peges himmlisches Bassolo löst dann wirklich die letzten Fesseln des Publikums. Auch die Nachbarin tobt längst , aber ihre Bravo-Rufe gehen in der begeisterten Masse unten.
- Hagen Kunze -